Küchenmagazin 2023

11 E s ist ein langer Weg vom Samen, der das Erdreich berührt, bis zur Ernte. Jedoch nicht annähernd so lange wie der Weg des Samens, den Simon Tress’ Opa vor 73 Jahren säte, als er sich dem biodynamischen Anbau und Demeter-Richtlinien verschrieb. „Er selbst konnte den Lohn seiner Arbeit nicht mehr ernten“, erzählt Spitzenkoch Simon Tress. „Ebenso wenig wie mein Vater, der auch säte, aber leider früh verstarb. Meine drei Brüder, unsere Mutter und ich haben nun das Privileg, ernten zu dürfen.“ Aus den Worten des 40-Jährigen sprechen Dankbarkeit und Demut – auch wenn es durchaus Zeiten gab, in denen die Familie belächelt wurde. „Wir sind ländlich aufgewachsen und waren immer die Jungs vom Biobauern, Grünkernfresser, das ganze Image eben. Aber das hat uns stark gemacht, als Familie brutal zusammengeschweißt.“ Heute gilt Simon Tress als Pionier. Als Vor- reiter. Als jemand, der Konzepte wie „From nose to tail“ oder „Leafe to root“ nicht als Trittbrettfahrer adaptiert, sondern sie von klein auf lebt, denn: „Das ist unsere DNA.“ BIOKOCH IM BIOSPHÄRENGEBIET Der Ort des Geschehens: die 2.500-SeelenGemeinde Hayingen-Ehenstetten auf der Schwäbischen Alb. Hier ist Simon Tress auf- gewachsen. Hier wohnt er. Hier lebt er seine Philosophie von Nachhaltigkeit und einer regionalen Bioküche auf höchstem Niveau. Und hier hat er sich vor knapp drei Jahren einen großen Traum erfüllt. Das weltweit Zusammenhalt Hand in Hand (v. l.): Daniel Tress betreut den Gast- bereich, Simon die Kulinarik, Dominik die Biosuppen und Con- venience-Gerichte, Christian die Finanzen und das Controlling. >> erste von Demeter zertifizierte Biogourmet- restaurant „1950“ – Teil der charmanten, familiär geführten Biowelt aus Hotel und Restaurant Rose – ist weit mehr als eine Reminiszenz an den Opa, der die Basis für all dies in genau diesem Jahr legte. Hier lebt der umtriebige Spitzenkoch die Essenz all seiner kulinarischen Glaubenssätze: „Die Natur macht bei uns den Teller“, bringt er die schlichte Vorgabe auf den Punkt, die zu vielen bewussten und einzigartigen Schlussfolgerungen führt. Die hochwertigen Zutaten für das „1950“ bezieht er aus einem Radius von lediglich 25 Kilometern. Einzige Ausnahme: Salz. Säure gewinnt er über selbst gezo- gene Essige, Schärfe wie Pfeffer ersetzt er zum Beispiel mit Senfsaat, Süße stammt teils vom Honig seiner eigenen Bienenvölker. Das Gemüse – der klare Hauptakteur – kommt aus dem eigenen Garten und vom Acker der Familie, den sie vor über zehn Jahren bereits an Heidrun König gratis verpachteten. „Sie bewirtschaftet und wir kaufen ihr, von der Kichererbse bis zur Artischocke, alles ab.“ Was ungewöhnlich klingen mag, ist ein nachhaltiger Kreislauf, in dem Mensch und Natur Hand in Hand gehen. „Wir müssen uns selbst einfach wieder viel mehr fordern. Vor allem auch unsere Kreativität“, meint Simon Tress – und setzt sich dabei an erste Stelle. Denn gerade das geistige Handwerk, der Mut, frei zu denken und scheinbar simple Produkte in ihrer Ganzheit aufregend anders und vor allem authentisch und gebührend zu zelebrieren, ist seine Maxime.

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